Cleveres Aufwärmen im Badminton - Teil 1: Oldies but Goodies

oder: mit „Oldschool“-Übungen mehr Leistung und weniger Verletzung im Badminton

Moderne Medien und Internet machen es möglich – auf neueste Trends und Trainingsmethoden hat jeder Trainer und jeder Spieler Zugriff. Social Media Plattformen bringen das Training der Topathleten auf das eigene Handy, zumindest Ausschnitte – meistens die, die sich gut vermarkten lassen oder als gesponserte Posts vermarktet werden. Vor- aber auch Nachteile liegen auf der Hand.
 
Auf der einen Seite inspirierend und informativ, auf der anderen Seite potentiell fehllenkend und überfrachtend. Spätestens wenn Kinder & Jugendliche oder Vereins- und Freizeitspieler modernste Aktivierungs- und Regenerationsmethoden aus dem Leistungssport übernehmen, aber dabei die Basismethoden in Vergessenheit geraten und dadurch Probleme entstehen, läuft etwas in die falsche Richtung. Kompressionssocken und -wäsche, Foam Roller mit Vibration, Eisbad und Co. machen eben nur Sinn, wenn das Komplettpaket stimmig ist. Ansonsten schießen wir nicht nur mit Kanonen auf Spatzen, sondern versuchen dies auch noch von einem schmalen Kanu aus. Nicht zu empfehlen.
 
Ich möchte an dieser Stelle konkret werden und meinen Eindruck vermitteln. Wenn ich in deutsche Badmintonhallen schaue – und ich hab hier und da Einblick in verschiedene Stützpunkte, in Freizeitturniere und Ligaspiele – dann sehe ich viele Bausteine modernen Leistungssporttrainings, aber oft auch fehlende Basiselemente des allgemeinen Auf- und Abwärmens. Diese sind in der Regel durch komplexe, oft schwer zu erlernende und durchzuführende Übungsformen ersetzt worden. Wie oft im Leistungssport eben, nur sind hier meiste viele Trainingsjahre und -perioden vorgeschaltet.
 
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Ein Beispiel: Oft sehe ich zum Beispiel die Hüftbeugerdehnung (genauer: M.Iliopsoas) im Ausfallschritt-Kniestand (siehe Foto). Bisher habe ich wenig Leistungssportler (!) gesehen, die ohne einige Hinweise und eigenes Ausprobieren, diese Übungen bei den ersten Malen sehr gut ansteuern konnten, obwohl diese in der Regel über ein mindestens fortgeschrittenes Körpergefühl verfügen. Was ich dagegen weniger sehe, ist die klassische Überschenkeldehnung im Stand oder in Seitlage. Dabei ist erste nicht nur koordinativ wegen des Einbeinstandes wertvoll, sondern muss der Hüftbeugerdehnung vorgeschaltet werden, damit die äußeren Muskeln schon gedehnt sind, bevor man innenliegende (M.Iliopsoas) ansteuert. Analog zum Aufbau einer Zwiebel – erst die äußeren Schichten, dann die inneren.
 
Dehnung Hüftbeuger
 
Foto: Dehnung Hüftbeuger
 
Dehnung Oberschenkel
 
Foto: Dehnung Oberschenkel
 
Zurück zum Ganzen, oder „back to the roots“. Wenn man ein Aufwärmprogramm anschaut, sollte dieses die folgenden Teile enthalten:
 
1) Foam Rolling zur Herstellung der optimalen Beweglichkeit und Muskelqualität
 
2) Mobilisierungs- und Ganzkörperbewegungsübungen zur Erwärmung
 
3) Dehnungsübungen & Mobilisierungsübungen zur Herstellung der optimalen Beweglichkeit
 
4) Aktivierung der individuellen und sportartspezifischen Muskelgruppen, die zu Inaktivität und Abschwächung neigen (min. Hüftaktivierung, Aktivierung Schulter, Aktivierung Rumpfstabilität)
 
5) Komplexe Dehnungs- und Mobilisierungsübungen in sportartgerichteten Bewegungen
 
Angepasst auf die folgende Einheit zusätzlich die folgenden Inhalte:
 
A) Stabilisierungs- und Kräftigungsübungen in den Verletzungs-Kernbereichen (vor jeder Halleneinheit)
 
B) Neuronale Aktivierung durch Übungen, die Schnelligkeit & Aufmerksamkeit erfordern
 
C) Vorübungen mit dem Ziel, das motorische Lernen oder Ausführen von Übungen im Hauptteil zu verbessern.
 
Ich glaube, dass die Bereiche (1), (4) & (5) in den letzten Jahren vermehrt in das Aufwärmtraining integriert worden sind – und das ist auch gut so! Stark missen tue ich die Bereiche (2) & (3), die unter der Hinzunahme der ersten Bereiche gelitten haben.
 
Wofür stehen diese Bereiche? Klassische Lauf- und Schwungübungen sowie klassische Dehnmethoden. Bei den Schwungübungen handelt es sich übrigens einen Bereich, den Chef-Bundestrainerin Ulla Koch in einer Fortbildung für das DBV-Trainer-Team 2016 empfahl im Aufwärmen noch stärker zu betonen.
 
Klassische Lauf- und Schwungübungen wie „Sidesteps & Arme öffnen“, „Kreuzschritte“, „Bein- sowie Armschwünge“ und Co., sorgen nicht nur dafür, dass eine Grunderwärmung des Systems stattfindet, sondern dass eine Vielzahl von Gelenken inklusive der Schulter, welche oft zu kurz kommt, geschmiert werden und sich dadurch sich freier und lockerer anfühlen. Letztendlich sind dies mobilisierende, kurzzeitige aktive Dehnungen. Klassische Dehnübungen für Oberschenkel, Beinrückseite, Adduktoren, Wade und Brust sollten auch im Aufwärmen ihren Platz haben. Die jeweils dynamisch-aktiven Varianten sind vorteilhaft zu Beginn einer Trainingseinheit. Sollten aber wirkliche Verkürzungen und Bewegungseinschränkungen vorliegen, kann auch im Warm Up statisch gedehnt werden, wenn danach wieder eine Innervation der zuvor gedehnten Muskulatur stattfindet.
 
Grundübungen an Schwungübungen im allgemeinen Aufwärmteil, die am Bundesstützpunkt durchgeführt werden, sind:
 
1) Kreuzschritte mit Armbewegungen
 
2) Sidesteps mit Armen öffnen
 
 
 
3) Hopserlauf mit Armkreisen rückwärts
 
4) Lauf mit einseitigem Armkreisen rückwärts
 
5) Beinschwünge linear
 
6) Beinschwünge lateral
 
 
sowie insbesondere vor dem Krafttraining noch
 
7) Schwimmer-Mobilisation.
 
 
Mit diesen Übungen lässt sich ein solider Grundstock an Erwärmung in wichtigen Bereichen und zusammen mit den anderen Bausteinen eines Aufwärmprogrammes langfristig eine Verbesserung der Spielleistung erzielen sowie Verletzungen reduzieren.
 
Nachdem ich im ersten Teil „Richtig Aufwärmen im Badminton – Oldies but Goodies“ den Teil des Aufwärmens, welcher an den Anfang eines jeden guten Warm-Up-Programmes gehört, vorgestellt habe, möchte ich nun den vorletzten Teil von insgesamt 8 Bausteinen eines guten Aufwärmprogrammes vorstellen. Dieser Teil richtig in das Training integriert, wird uns helfen, kurzfristig besser auf das folgende Training vorbereitet zu sein und langfristig ein kompletterer Badmintonspieler zu sein.
 
Eines vorweg: Michael Boyle sagte einmal, als Trainer muss man gut stehlen können. Ideen, Übungen, Methoden, Herangehensweisen – von anderen Trainern, erfolgreichen Spielern, aus anderen Sportarten. Wichtig dabei sind für mich zwei Dinge: Zum einen halte ich es für richtig und wichtig, fremde Ideen nicht als eigene zu verkaufen und an der richtige Stelle zu erwähnen, von wem man was gelernt und übernommen hat und zum anderen – und dies ist als Trainer essentiell! – zu verstehen, warum bestimmte Herangehensweisen funktionieren.
 
   
 
Die folgende Methodik im Warm Up habe ich von meinem guten Kollegen und ehemaligen Bundestrainer Jacob Øhlenschlæger übernommen, um die Grundidee aus meiner Ausbildung in Mark Verstegens Athletes’ Performance, funktionelle Bewegungsmuster im Aufwärmen aufzugreifen und zu verbessern, zu erweitern. Gemeint ist der siebente Baustein eines Badminton-Aufwärmprogrammes bei dem es darum geht, spezifische Badmintonbewegungsmuster (= Techniken) anzusteuern, um diese zu verbessern sowie im nachfolgenden Hauptteil der Trainingseinheit verfügbar zu haben.
 
Aber ist dies nicht bereits Teil des Techniktrainings? Nicht unbedingt. Im modernen Aufwärmen geht es darum, den Körper kurz- und langfristig auf Leistung vorzubereiten – und so entsprechend aus der Ruhe die Belastungen stückweise hochzufahren, um eine optimale Trainerbarkeit zu erreichen. Dazu können dann am Ende des Aufwärmens stückweise Badmintontechniken eingebaut werden, die immer noch progressiven, aufwärmenden Charakter haben, aber bereits Trainingsinhalte transportieren oder wiederholen, die dem Technikerwerb oder der Technikverbesserung dienen.
 
Der 
 
Trainer kann nun durch optimale Planung dieser Bausteine die Effizienz seines Trainings steigern, langfristig mehr verschiedene Trainingsinhalte in das Training unterbringen und stückweise die Badmintontechnik verbessern. Statt einen Block Lauftechnik für 20-40 Minuten im Hauptteil zu bearbeiten, können Teile davon über ein bis zwei Wochen 3-6 Minuten in das Warm Up integriert werden. Auf Grund dieser „häppchenweisen“ Herangehensweise werden so auch schneller motorische Lernfortschritte erzielt.
 
Diese Vorgehensweise bietet sich vor allen Dingen mit kleinen Kindern an, wenn noch einiges an spezifisch-koordinativen Grundlagen gelegt werden muss. Oft gehen wir hier in Deutschland zu technisch vor: Wir Trainer zerlegen eine Zieltechnik in Bausteine, befassen uns mit dem optimalen Start, den richtigen Transportschritten und dem letzten Schritt, sei es ein Sprung, Dreh- oder Umsprung, und trainieren dann oft zu isoliert oder zu einseitig. Wenn bestimmte Basismuster aber nicht vorhanden sind, fällt es schwer, einzelne Elemente davon abzurufen. Die Konsequenz: die Umsetzbarkeit fällt dem Übenden schwer, die Technik wird zu statisch und fällt oft in abweichenden oder in stressigen Situationen völlig auseinander – die Folge eines leider noch zu oft vorkommenden stumpfen „deutschen“ impliziten Lernweg. Deutlich besser wäre es, expliziter vorzugehen: viele Bewegungsmuster bereitstellen und diese dann in komplexeren Situationen spielnäher zu üben.
 
 
Diese Bereitstellung von Bewegungsmustern kann eben im Aufwärmprogramm geschehen: Dazu bieten sich - aber nicht ausschließlich - vor allen Dingen lauftechnische Elemente an. Der Grund ist einfach: es geht ja schließlich immer noch um das Aufwärmen und hier wird dann entsprechend viel Muskelmasse angesteuert.
 
Folgende Bewegungsmuster bieten sich in der vorletzten Phase des Aufwärmens an:
 
- koordinative Footworkübungen zur Verbesserung des Starts
 
- Start- und Richtungswechselkombinationen
 
- Lauf- und Transportschrittkombinationen
 
- Verbindungselemente zwischen Badmintontechniken.
 
 
 
Dabei geht es nicht darum, ein koordinatives Sammelsurium anzubieten, sondern zielgerichtet badmintonspezifisch zu arbeiten und ein koordinatives Überpotential an Lauftechnik zu bilden und/oder folgendes Lauftechniktraining (=motorisches Neu- oder Umlernen) entsprechend vorzubereiten. Wichtig dabei: Wenn es um Koordination, Neu- und Umlernen geht, müssen immer neue Bewegungsaufgaben oder –kombinationen an die Trainingsgruppe gestellt werden – keine bereits x-fach geübten, sogenannte „Koordinationsübungen“.
 
Viel Spaß beim Ausprobieren wünscht Diemo Ruhnow
 
Diemo Ruhnow (MSc Sport Coaching, Dipl. Trainer DOSB) ist als Leitender Bundestrainer Doppel/Mixed für den Deutschen Badminton Verband tätig. Er ist international als Referent im Badminton- und Athletikbereich und als Autor für die Trainerecke der BADMINTON Sport sowie für die Internetseite www.badminton.training tätig.

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